Für Post-Antibiotika-Ära nur unzureichend gewappnet

Kreis Göppingen. Der Chefarzt für Laboratoriums-Medizin an den Alb-Fils-Kliniken, Dr. Lutz Zahn, hat vor den Stadt- und Ortsseniorenräten in deren gemeinsamer Sitzung in Süßen erklärt, dass das Risiko, sich einen Erreger einzufangen, in den beiden Häusern in Göppingen und Geislingen nicht größer ist als in jeder anderen Klinik. Er habe in die eingeleiteten Maßnahmen so viel Vertrauen, dass er sich selbst ohne weiteres in einer der Kliniken operieren ließe.

Dennoch, so Dr. Zabel, sind die multiresistenten Keime ein massives Problem, das unter keinen Umständen vernachlässigt werden dürfe. Vor allen Dingen müsse das Hygienemanagement vom Krankenhauspersonal, den Patienten und den Besuchern außerordentlich ernst genommen werden. Das Desinfizieren der Hände sei ein absolutes Muss und dürfe nicht versäumt werden, so Dr. Zabel.

Rechnerisch werden pro Tag von der Weltbevölkerung mit dem Stuhl über zwei Milliarden Kilo Bakterien ausgeschieden. Die Zahl der Mutationen, die zur Resistenz führen, ist bei der kurzen Verdoppelungszeit der Bakterien hoch. „Dort, wo Antibiotika frei verkäuflich sind, steigt erfahrungsgemäß die Zahl der resistenten Bakterien an“, erläuterte Dr. Zabel.

Der Chefarzt hob hervor, „dass die Keime kein lokales Thema im Landkreis Göppingen sind sondern ein globales Problem, das von den verantwortlichen Stellen in der Politik und im Gesundheitswesen lange Zeit sträflich vernach-lässigt worden ist“. Als sehr ärgerlich bezeichnete Dr. Zabe, das von ursprünglich achtzehn Pharmaunternehmen, die 1990 noch ein Antibiotikum beforschten und entwickelten, nur noch sechs übrig geblieben sind. „Damit kommt die Forschung und Entwicklung von Antibiotika, die etwas gegen die Keime ausrichten können, nicht mehr mit der nötigen Intensität und Geschwindigkeit voran“, sagte Dr. Zabel.

Es sei zu befürchten, so der Labormediziner, dass die multiresistenten Keime nicht aus den Schlagzeilen heraus kommen. „Man muss sich das vorstellen: Die Bakterien vermehren sich in nur 20 Minuten um das Doppelte, erwerben durch Mutation oder Austausch von Genen neue Fähigkeiten und werden rasch resistent gegen herkömmliche und aktuelle Antibiotika“, erläuterte er.

Mikrobiologen und Pharmakologen, warnen vor einer „Post-Antibiotika-Ära“ und räumen ein, für eine solche Situation nur unzureichend gewappnet zu sein. Hygiene-Maßnahmen in den Krankenhäusern seien daher unverzichtbar.

Viele multiresistente Erreger kommen heutzutage auch aus der Tiermast und werden beim Kauf von Fleisch mit erworben. Eine Untersuchung von Hühnerfleisch hat zum Beispiel ergeben, dass bei 38 Prozent der Proben multiresistente Erreger gefunden wurden. Die Vertreter der Orts- und Stadtseniorenräte erfuhren durch Dr. Zabel davon, dass sich bei 30 Prozent der Menschen Vertreter der Art „Staphylococcus aureus“ im sogenannten Nasenvorhof ansiedeln. Bestimmte Erreger besiedeln den Darm, ohne Schaden anzurichten. Manchmal kommt es zu einer Infektion. Besonders gefährdet sind ältere kranke Menschen und schwerkranke Patienten mit längerem Aufenthalt auf der Intensivstation.

Auf die Frage, wie man die Bedrohung denn abwenden könne, hatte der Chefarzt auch einige praktisch Ratschläge zur Hand: Strenge Handhygiene (keinen Schmuck, Uhren oder Ringe an den Händen tragen, zumindest nicht im Kontakt mit Patienten)- Vor und nach dem Anfassen eines Patienten muss das Personal nach Vorschrift die Hände desinfizieren. „Dies gilt auch für Ärzte“, betonte Dr. Zabel.

Aufgabe der Mikrobiologen und der fünf Hygiene-Fachkräfte an den Alb-Fils-Kliniken ist es, die multiresistenten Erreger zu finden, zu lokalisieren und die betroffenen Körperregionen zu sanieren, sofern das geht. Standard ist, dass betroffene Patienten isoliert werden. Der Besuchsverkehr sollte nach seiner Empfehlung nicht eingestellt sondern unverändert fortgesetzt werden, allerdings unter strengsten Auflagen, also vor- und nachheriger Hände-Desinfektion, Benutzung von Schutzkleidung und Mundschutz. Werde dies beachtet, so betonte Dr. Zabel eindringlich, seien Operationen in den Alb-Fils-Kliniken nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden.

Harald Kraus, Pressereferent